Tipps im Umgang mit Verschwö­rungs­gläubigen

Wenn Verwandte oder Freund*innen Verschwörungs­erzählungen anhängen, kann das nicht nur zu Unverständnis und Ratlosigkeit führen, sondern auch ein hohes Konflikt­potential bergen. Das geht häufig mit einer hohen psychischen und emotionalen Belastung einher. Der Versuch, die konspirativen Erzählungen faktenbasiert zu entkräften (sog. Debunking), führt zumeist ins Leere - oder schlimmer noch: zu verhärteten Fronten. Die Grundlage für konstruktive Gespräche geht dabei zunehmend verloren.

Trotzdem haben Viele das Bedürfnis, Verschwörungs­anhänger*innen aus dem privaten Umfeld wieder von ihrem Glauben abzubringen oder einen angemessenen persönlichen Umgang zu finden. Doch wie spricht man am besten mit Familienangehörigen und Freund*innen, die an Verschwörungs­mythen glauben? Aus unserer Beratungspraxis haben wir einige Ratschläge identifiziert, die Ihnen im Umgang mit Verschwörungsgläubigen helfen können.

Bestimmen Sie Ziele

Bevor Sie sich in ein Gespräch mit der verschwörungsgläubigen Person begeben, hilft es, sich möglichst klare Ziele zu setzen: Was erhoffen Sie sich selbst von dem Gespräch? Was sind Ihre eigenen Bedürfnisse? Welches Ziel haben Sie? Möchten Sie beispielsweise andere Familienmitglieder vor einer verschwörungsgläubigen Person schützen oder diese eher zur Distanzierung bewegen? Je nach Ziel und persönlicher Beziehung müssen Sie Ihre Gesprächsstrategie nämlich anpassen.

Setzen Sie klare Grenzen

Achten Sie auf Ihre eigenen Grenzen und gehen Sie nur so weit, wie Sie es sich zutrauen. Wenn Sie sich der Situation nicht gewachsen fühlen, ist es ratsam, zunächst eine Auseinander­setzung zu vermeiden und Hilfe zu Rate zu ziehen. Auch ein (eventuell temporärer) Kontakt­abbruch führt zwar meist nicht zu einer Problemlösung, sollte aber als äußerstes Mittel in Betracht gezogen werden, wenn Unsicherheiten, Ängste oder Bedrohungsgefühle bestehen.

Wählen Sie einen geeigneten Gesprächsrahmen

Im Affekt zu streiten ist wenig zielführend und trägt meistens dazu bei, dass emotionale Mauern hochgezogen werden. Wählen Sie stattdessen mit Bedacht, wann, wo und wie lange Sie sich Zeit für ein Gespräch nehmen wollen und verständigen Sie sich darüber mit Ihrem Gegenüber.

Führen Sie ein Gespräch über Gefühle

Zeigen Sie sich empathisch, offen und verständnisvoll, anstatt von vornherein konfrontativ eine klare Position zu beziehen. Machen Sie sich immer klar: Auch, wenn Sie die Inhalte der Geschichten Ihres Gegenübers nicht nachvollziehen können – die Gefühle von Unsicherheit, Angst oder auch Wut bei verschwörungsgläubigen Menschen sind real und knüpfen oft an persönliche Erfahrungen von Ohnmacht und Abwertung an. Diese im Gespräch offen und empathisch zu ergründen und zu besprechen knüpft am Gegenüber an und schafft oftmals eine Verbindung, die eine Basis für Erkenntnis und Veränderungsbereitschaft generieren kann.

Bleiben Sie auf Augenhöhe

In Phasen hoher Belastung und Überforderung neigen Menschen oft dazu, andere Personen abzuwerten. Auch verschwörungsgläubige Menschen erleben diesen Mechanismus häufig. Sie werden dann von anderen mit Labeln wie „Extremisten“ oder „Verrückte“ versehen und fühlen sich herabgesetzt. Gleichzeitig neigen jedoch auch nicht wenige von Ihnen dazu, Andersdenkende abzuwerten. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Denn: Eine gegenseitige Herabwertung ist keine Basis für ein konstruktives Gespräch.  Wer ist schon bereit sich auf der Sachebene oder sogar über die persönlichen Gefühle auszutauschen, wenn man stets befürchten muss, dafür beleidigt zu werden?

Vorsicht mit Fakten

Verschwörungs­erzählungen mit schlüssigen und fakten­basierten Gegen­beweisen zu begegnen, scheint zwar zunächst naheliegend, wirkt aber häufig eher eskalierend und führt meist zu einer weiteren Distanzierung. Denn oft geht es für die Verschwörungs­gläubigen nicht so sehr um den Inhalt der einzelnen Erzählungen, sondern um die Funktion, die sie für sie erfüllt. Doch auch, wenn man mit Fakten selten weit kommt, kann es sinnvoll sein, sich kundig zu machen, wie Verschwörungserzählungen generell funktionieren. Wer die Mechanismen von Verschwörungs­erzählungen versteht, schützt letztlich auch sich selbst vor ihnen.

Einblicke gewinnen, Angebote machen

Versuchen Sie zu bestimmen, welche Funktion die Verschwörungs­erzählung für Ihr Gegenüber einnimmt und auf welches Problem sie eine Antwort liefert. Häufig hängt der Verschwörungs­glaube mit einer spezifischen Krisen­erfahrung zusammen. Erfragen Sie, welche Bedürfnisse bestehen, nehmen Sie diese ernst und bieten Sie Ihre Hilfe an.

Fragen statt sagen

Wie bereits erwähnt bringen inhaltliche Gespräche und Konfrontation mit wissenschaftlichen Tatsachen im Gespräch mit Verschwörungsgläubigen oft wenig. Meist werden diese sogar eher als Angriff auf das eigene Welt- und Selbstbild erlebt.  Offene Fragen haben daher in der Regel ein größeres Potential, zum Nachdenken anzuregen und eine Reflektion der eigenen Überzeugungen zu initiieren. Versuchen Sie deshalb, für sich selbst und dann auch Ihr Gegenüber bewusst eine interessierte und fragende Haltung einzunehmen. Bleiben Sie dabei unbedingt sich selbst treu und authentisch, denn nur, wenn Sie Ihre offene Haltung und Ihr Interesse ernst meinen, wird Ihr Gegenüber sich auch angenommen fühlen.

Suchen Sie sich Unterstützung

In vielen Fällen kann es richtig und wichtig sein, sich Hilfe zu suchen, insbesondere wenn von einer verschwörungs­gläubigen Person eine (potenzielle) Gefahr für Sie selbst oder andere ausgeht. Auch wenn alle Gesprächs­versuche scheitern und die Situation zunehmend unerträglich wird, ist dies ratsam. Für diese Fälle gibt es in einigen Bundes­ländern spezifische Beratungsstellen. Wir beraten Sie hier gern oder vermitteln Sie in diesen Fällen gerne weiter.

Weitere Tipps in den Videos von CALLSPIRACY

Auch die Call-in-Sendung CALLSPIRACY blickt auf den Umgang mit Verschwörungs­erzählungen. Moderatorin Eva Schulz und veritas-Projektleiter Tobias Meilicke sprechen darin mit verschiedenen Gästen und betroffenen Angehörigen über ihre Erfahrungen mit Verschwörungs­erzählungen. In Folge 1 geht es um die Kommunikation mit Verschwörungsgläubigen und in Folge 2 um die Frage, wann es besser sein kann, den Kontakt (vorerst) abzubrechen. Folge 3 erklärt, was Verschwörungserzählungen attraktiv macht. In Folge 4 diskutieren Eva Schulz und Tobias Meilicke mit Rapper Hendrik Bolz, was Kritik von Verschwörungserzählungen unterscheidet.

Literaturempfehlung zum Weiterlesen

  • Katharina Nocun & Pia Lamberty: True Facts. Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft. Quadriga 2021.
  • Sarah Pohl & Isabella Dichtel: Alles nur Spinner? Wie Sie mit Verschwörungsgläubigen gelassener umgehen. Vandenhoeck & Ruprecht 2021.
  • Ingrid Brodnig: Einspruch!: Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online. Brandstätter 2021.
  • Amadeu Antonio Stiftung: 8 Tipps zum Umgang mit Verschwörungsgläubigen im privaten Umfeld.